
Zwischen Erinnerung, Schuld und Wahrheit
La Division ist ein französisches Hörspiel in fünf Teilen, das auf dem Sender France Culture ausgestrahlt wurde. Es stammt aus der Feder von Emmanuel Suarez und verbindet dokumentarische Genauigkeit mit der Spannung eines fiktionalisierten Thrillers. Im Zentrum der Geschichte steht die junge Historikerin Claire, die sich in ihrer Doktorarbeit mit einem heiklen Thema beschäftigt: der französischen Division Charlemagne, einer Waffen-SS-Einheit, die aus Freiwilligen des Vichy-Regimes gebildet wurde und auf der Seite der Nazis kämpfte.
Die Geschichte entfaltet sich in den frühen 1990er-Jahren, einer Zeit des politischen und historischen Umbruchs. Der Kalte Krieg ist zu Ende, Osteuropa öffnet sich, Archive werden zugänglich – und die Vergangenheit beginnt, in neuer Form aufzuleben. Für Claire beginnt eine gefährliche Spurensuche, die sie nicht nur in die Archive, sondern auch quer durch Europa führt – und zu einem Mann, der angeblich tot ist.
Was als akademische Recherche beginnt, wird zunehmend zur persönlichen Obsession, zum moralischen Dilemma und zur Auseinandersetzung mit der verdrängten Geschichte Europas. In der Atmosphäre eines kalten Nachkriegsechos entfaltet das Hörspiel eine komplexe Geschichte von Wahrheitssuche, Verrat und Erinnerungspolitik.
La Thèse – Die Arbeit beginnt
Claire arbeitet an ihrer Dissertation über die Division Charlemagne, stößt jedoch bald auf erste Hindernisse. Zahlreiche Archive sind schwer zugänglich oder blockiert, wichtige Akten fehlen. Inmitten ihrer Recherchen stößt sie auf den Namen Bertrand Demongeot, einen französischen SS-Freiwilligen, der 1945 angeblich gefallen sein soll – doch Hinweise deuten darauf hin, dass er überlebt haben könnte.
Gleichzeitig wird Claire von Kollegen und Historikern skeptisch beäugt. Das Thema gilt als brisant – die Grenze zwischen Forschung und Sympathiebekundung ist in Frankreich bei diesem Thema schnell überschritten. Als ein Zeuge, der mit Claire sprechen wollte, kurz vor dem Interview stirbt, wird ihr klar: Die Geschichte, in die sie hineingeraten ist, hat Sprengkraft.
Ein Gefühl von Unbehagen macht sich breit. Ist das Thema nur historisch brisant – oder berührt es aktuelle Netzwerke und ideologische Nachwirkungen?
La Traque – Die Jagd beginnt
Claire reist nach Deutschland und später nach Osteuropa. Sie verfolgt Spuren, die auf Bertrand Demongeot hindeuten – und auf ein mögliches Versteck in der ehemaligen DDR oder weiter östlich. Ein früherer Journalist, der über Neonazi-Strukturen in Osteuropa berichtete, unterstützt sie. Gemeinsam entdecken sie Hinweise darauf, dass ehemalige SS-Freiwillige nach dem Krieg unter neuen Namen weiterlebten – mit stiller Duldung der Geheimdienste.
Die Recherchen nehmen eine neue Wendung: In einem alten sowjetischen Archiv taucht ein Foto auf, das Bertrand Demongeot Jahrzehnte nach seinem angeblichen Tod zeigt – lebendig, älter, aber zweifellos erkennbar. Claire stellt sich zunehmend die Frage, ob sie es mit einem Einzelfall zu tun hat – oder mit einem systematischen Netzwerk ehemaliger Nazis, das bis in die Gegenwart reicht.
Parallel dazu scheint sie beobachtet zu werden. Ihre Unterkünfte werden durchsucht, ein Informant warnt sie, aufzuhören. Doch Claire ist entschlossen: Die Wahrheit muss ans Licht.

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Jetzt dem WhatsApp-Kanal beitretenLes Survivantes – Die Überlebenden
Claire reist nach Lettland und später nach Estland. Dort stößt sie auf Frauen, die mit ehemaligen französischen SS-Freiwilligen verheiratet waren – sogenannte Überlebende der zweiten Reihe. Diese Frauen sind in ihrer Umgebung isoliert, leben zurückgezogen, und hüten dunkle Geheimnisse.
Eine von ihnen, Antra, öffnet sich Claire gegenüber und berichtet von einem Mann, der sich als Bertrand ausgegeben haben könnte – doch unter dem Namen Bernhard Dumont lebte. In Antras Schilderungen erkennt Claire nicht nur Hinweise auf eine falsche Identität, sondern auch auf Kriegsverbrechen, die nie gesühnt wurden.
Claire beginnt, ihre Rolle zu hinterfragen: Ist sie noch Wissenschaftlerin – oder inzwischen Ermittlerin? Die Grenze verschwimmt, als sie sich heimlich Zugang zu alten sowjetischen Gebäuden verschafft, um weitere Hinweise zu finden. Gleichzeitig bemerkt sie, dass sie verfolgt wird.
Nouveau départ – Der neue Anfang
Claire kehrt nach Frankreich zurück. Ihre Universität hat ihre Rückkehr angemahnt, und ihre Doktorarbeit steht auf der Kippe. Die Kollegen sind distanziert geworden, der Betreuer ihrer Arbeit zweifelt an ihrer Objektivität. In einem verzweifelten Versuch, ihre Recherchen zu retten, stellt sie einen Antrag auf Zugang zu einem bisher gesperrten Archiv in Paris – das Gerichtsakten ehemaliger SS-Mitglieder enthält.
Dort findet sie endlich den Beweis: Bertrand Demongeot wurde 1945 nicht getötet, sondern geriet in sowjetische Gefangenschaft und arbeitete später als Informant des KGB. Seine Akte enthält Fotos, Briefe, und ein Geständnis – aber auch Hinweise, dass er in den 1980er-Jahren in Frankreich war, unter neuem Namen.
Claire hat nun Gewissheit, doch zu welchem Preis? Sie erkennt, dass eine Veröffentlichung ihrer Ergebnisse nicht nur ihren Ruf gefährden, sondern auch politische Kreise aufrütteln könnte. Die Frage ist: Will sie die Wahrheit sagen – oder schweigen?
Un peu de lumière – Ein wenig Licht
In der letzten Folge reist Claire erneut nach Estland. Antra ist verschwunden. Bertrand – oder der Mann, der sich so nennt – hat möglicherweise das Land verlassen. Doch Claire erhält ein Tonband, das seine Stimme enthält. Darin spricht er über seine Beweggründe, seinen Hass auf Frankreich nach dem Krieg, und seine neue Identität. Er zeigt keine Reue – nur Verachtung für das, was man Erinnerung nennt.
Claire entscheidet sich, das Material zu veröffentlichen. In einer Radiosendung – einer fiktiven Version dessen, was wir als Hörer erleben – schildert sie ihre Erkenntnisse, spielt Ausschnitte aus dem Tonband und stellt dem Publikum die Frage: Wie geht man mit einer Wahrheit um, die niemand hören will?
Der Kreis schließt sich. Das Hörspiel endet nicht mit einer endgültigen Antwort, sondern mit einer Frage: Ist Geschichte ein fester Kern – oder eine Konstruktion, abhängig davon, wer erzählt?
Ein Hörspiel über die Grauzonen der Erinnerung
La Division ist ein intensives, vielschichtiges Hörspiel, das sich dem Umgang mit schwieriger Vergangenheit stellt. Es beleuchtet nicht nur historische Fakten, sondern stellt zentrale Fragen nach Verantwortung, Schuld und Verdrängung. Dabei bleibt es stets im Spannungsfeld zwischen Fiktion und Realität, was der Serie eine bedrückende Authentizität verleiht.
In einer Zeit, in der alte Ideologien wieder auftauchen und Erinnerungskultur neu verhandelt wird, ist dieses Hörspiel von hoher Relevanz. Es zeigt, wie gefährlich das Schweigen über die Vergangenheit sein kann – und wie mutig diejenigen sind, die es brechen.
La Division
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- Label / Verlag: Radio France
- Veröffentlicht:
- Genre: Thriller
- Herkunft: Frankreich
Produktion
- Regie: Sophie-Aude Picon
- Literarische Beratung: Caroline Ouazana
- Musik: Jefferson Lembeye
- Geräusche (Sounddesign): Bertrand Amiel
- Tonaufnahme, Schnitt und Mischung: Claire Levasseur, Bastien Varigault
- Regieassistenz: Pablo Valero
Sprecher
- Claire Praslin – Claire Dumas
- Thérèse Demongeot – Bernadette Le Saché
- Thomas – François de Brauer
- Marc – Mathurin Voltz
- François de Raincy – Bartholomew Boutellis
- Bertrand Demongeot – Alexis Rangheard
- Frémont – Clément Morinière
- La journaliste – Alyzée Soudet
- Julot – Laurent Orry
- Jean-Pierre Marsant – Alain Rimoux
- Debauche – Régis Laroche
- Commandant Piat – Jean-Edouard Bodziak
- L’archiviste allemande – Irma Barry-Schmitt
- Jean Delacourt – Daniel Kenigsberg
- Anja Sadowski – Magdalena Malina
- Jeanne – Maud Forget
- La secrétaire – France Ducateau
- Cécile – Lara Suyeux
- Le soldat – Pierrick Tardieu
- Lotte Buloff – Elzbieta Koslacz
- Weitere Stimmen – Yann Seweryn, Viktor Ponomarev, Laetitia Hipp, Emmanuel Suarez, Emma Santini, Sacha Judazko, Zachary Lebourg, Gabrielle Desjean