
Mit The Sins of Captain John legt Big Finish ein vierteiliges Torchwood-Spezial vor, das ganz auf die Rampenlicht-Magnetkraft von Captain John Hart zugeschnitten ist. Verkörpert von James Marsters, der die Rolle schon in Torchwood Staffel 2 im TV zu einem Fandom-Liebling machte, ist dieses Boxset gleichermaßen Prequel-Abenteuer, draufgängerische Gaunerballade und wilder Sci-Fi-Roadtrip quer durch Zeiten, Planeten und moralische Grauzonen. John Barrowman kehrt als Captain Jack Harkness immer wieder als Gegenpol, Komplize und (nicht ganz) moralischer Kompass ins Geschehen zurück. Regie führt Scott Handcock, die vier Skripte stammen gesammelt von David Llewellyn.
Der Ton ist klar: frech, sarkastisch, hemmungslos pulpig, dabei überraschend charaktergetrieben. John Hart ist in dieser Erzählform weniger reines Chaos-Element und mehr tragikomische Figur, deren Sünden nicht nur in charmanten Betrügereien stecken, sondern auch in alten Entscheidungen, die wieder auf die Füße fallen. Die Musik reiht sich in die bekannte Torchwood-Klangwelt ein; der Theme-Bezug zu Murray Gold verankert das Set atmosphärisch im Whoniverse, während Produktion und Sounddesign die temporeiche, oft filmische Anlage sauber tragen.
Im Folgenden: eine strukturierte Besprechung mit episodenweisen Zusammenfassungen (ohne harte Endspoiler) plus Analyse zu Figuren, Themen, Tonalität und Einordnung innerhalb der Big-Finish-Torchwood-Landschaft.
Zusammenfassung & Besprechung der einzelnen Episoden
The Restored
Ausgangslage: John Hart ist in der Restaurationszeit Englands unterwegs – also im 17. Jahrhundert, zwischen Perücken, Intrigen und höfischer Doppelmoral. Er verfolgt ein Ziel, das nahtlos in Torchwood-Mythologie übergeht: ein Paar rätselhafter Handschuhe (Gauntlets), die Leben und Tod berühren. Was zunächst wie ein Routine-Coup aussieht – Artefakt besorgen, Opportunitäten nutzen, sich den lukrativsten Abgang sichern – kippt schnell in ein moralisch wie physisch gefährliches Labyrinth aus Hofpolitik, übernatürlichen Konsequenzen und Johns notorischer Unfähigkeit, den einfachen Weg zu wählen. Captain Jack bleibt nicht außen vor; das Katz-und-Maus-Spiel der beiden, irgendwo zwischen Rivalität, Flirt und Wettlauf, verleiht der Episode den vertrauten Reiz.
Stärken:
- Weltbau: Die Restaurationszeit bekommt genau genug Flair, um ein eigenständiges Abenteuergefühl zu erzeugen, ohne das Sci-Fi-Tempo auszubremsen.
- Mythologie-Anschluss: Die Gauntlets fungieren als Brücke zum größeren Torchwood-Kosmos. Fans, die die TV-Serie kennen, werden die thematische Resonanz (Macht über Leben/Tod, moralische Kosten) sofort spüren, ohne dass das Hörspiel bloß nacherzählt.
- Figurendruck: John wird als kompetenter, aber selbstsabotierender Antiheld gezeichnet. Seine Sünden sind hier weniger Lacher als Schuld-Sedimente, die Entscheidungen einfärben.
Kritische Punkte:
- Wer John primär als one-liner-Spottmaschine hören will, bekommt zwar reichlich Sprüche, aber The Restored nimmt sich spürbar Zeit für Ambivalenz. Das ist dramaturgisch gewinnbringend, erfordert aber etwas mehr Geduld als eine reine Klamauk-Eröffnung.
Fazit zu Episode 1: Ein atmosphärisch dichter Auftakt, der Lust auf mehr macht und die Tonlage klärt: große Gesten, dreckige Ränder, ein Hauch Historienabenteuer – und darunter das dunklere Echo der Torchwood-Fragen nach Verantwortung und Konsequenz.

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Nichts für schwache Nerven!Escape from Nebazz
Ausgangslage: Der zweite Teil schlägt das Gegenteil von Perücken-Romantik an: Sci-Fi-Knast, orbitaler Dreck unter den Nägeln, Hochsicherheitsroutinen. John will jemanden befreien, der für ihn Schlüsselwissen birgt – und im Zentrum stehen erneut die Gauntlets. Das führt zu Dr. Magpie, einer Figur, deren Name Whoniverse-Ohren klingeln lässt (nicht identisch mit Mr. Magpie aus The Idiot’s Lantern, aber ein netter Meta-Beiklang). Der Plot zieht das Tempo massiv an: Heist-Struktur, Eskalationen im Minutentakt, spitze Dialoge, die John und Jack zwischen Zweckbündnis und Schlagabtausch halten. Rezensionen betonen, dass hier Ursprünge und Funktionslogiken der Handschuhe aus John-Perspektive beleuchtet werden – und zwar knapp und griffig, nie als Lore-Vortrag.
Stärken:
- Heist-Flow: Wenn Big Finish Heist-Räder greifen lässt – schnelles Blocking, saubere Szenenübergänge, klare Stakes –, entsteht Kopfkino.
- Charakterchemie: John/Jack ist kein reines Banter, sondern taktischer Schlagabtausch zweier Profis, die sich zu gut kennen, um sich zu trauen.
- Mythos-Fortschritt: Ohne alberne Überwucht führt die Episode konkretes Wissen zu den Gauntlets ein, das Johns Agenda erdet.
Kritische Punkte:
- Ein Teil der Spannung hängt davon ab, wie sehr man Johns moralische Elastizität akzeptiert. Wer bei Heists gern saubere Motivation hat, findet hier eher graue Zonen.
Fazit zu Episode 2: Tempohoch, Lore-Injection, Figurenfunken – Nebazz ist die Adrenalinspitze des Boxsets und demonstriert, wie gut Torchwood funktioniert, wenn Thriller-Mechanik und Whoniverse-Mythos sauber ineinandergreifen.
Peach Blossom Heights
Ausgangslage: Tonale Kehrtwende. John und Jack stranden in einer seltsam perfekten Vorstadt-Idylle – freundliche Nachbarn, angenehmes Wetter, nachts streifen riesige Plüschmaskottchen durch die Straßen. Es ist heile Welt mit Uncanny-Valley-Rissen. Der Clou: In dieser Kultur hat niemand je Aufklärung über die Vögel und die Bienen erhalten, also über Sexualität, Fortpflanzung, Begehren. Das klingt nach Setup für Klamauk – und ja, die Folge ist komisch, aber dahinter liegt die Frage, wie Unwissen als Machtinstrument funktioniert. John und Jack werden zum Katalysator: Wer bringt Wissen? Wer kontrolliert es? Und was passiert, wenn man künstlich naiv gehaltene Gesellschaften mit Realität konfrontiert?
Stärken:
- Stilbruch als Stärke: Nach Heist und Historie kommt Weird-Fiction-Satire – Big Finish traut dem Material genug zu, um die Serie offen zu atmen.
- Subtext: Unter dem Humor liegt Medien- und Sexualpädagogik-Kritik. Wer Wissen verwaltet, verwaltet Macht.
- Charakterarbeit: Johns zynische Weltkenntnis kollidiert produktiv mit dem sauberen Setting; Jack fungiert mal als Mittler, mal als Mitspieler.
Kritische Punkte:
- Wer von Torchwood meist Noir-Horror erwartet, wird hier bewusst irritiert. Die Riesen-Plüschtiere-bei-Nacht-Bildsprache ist absurd – beabsichtigt, aber nicht jedermanns Sache.
Fazit zu Episode 3: Verspielt, klug, leicht schräg – Peach Blossom Heights liefert die experimentellste Farbe des Sets und vertieft Johns Profil über Humor hinaus.
Darker Purposes
Ausgangslage: Der Titel ist Programm: dunklere Absichten, Vergangenheitslast, Abrechnungen. Alles, was John an losen Enden hinterließ – die Sünden – tritt konkret hervor. Beziehungen, die er ausnutzte, Personen, die er betrog, Strukturen, die er manipulierte: Konsequenzen materialisieren sich. Dramaturgisch führt die Folge Fäden aus den ersten drei Teilen zusammen; emotional spitzt sich Johns innerer Konflikt zu: Ist er mehr als die Summe seiner Winkelzüge? Kann er, will er Verantwortung tragen – oder dreht er die Spirale noch einmal? Die Episodeninformation bestätigt die vierteilige Struktur; Bewertungen heben den abschließenden Punch hervor.
Stärken:
- Payoff: Die Staffelung der Töne (Historie → Heist → Satire → Abrechnung) zahlt sich aus.
- Figurenmoment: John bekommt Gelegenheit, Maske und Mythos zu justieren. Keine heiligen Gelöbnisse, aber Nuancen.
- Jack als Spiegel: Jack ist Gegenbild und Spiegel – ein Mann der Konsequenzen, der weiß, was Verantwortung kostet.
Kritische Punkte:
- Wer eine große, kanon-erschütternde Enthüllung erwartet, bekommt eher eine charakterzentrierte Abwicklung als eine Continuity-Explosion.
- Das Finale hält bewusst ein paar Narrativ-Kanten rau – passend zu John, aber weniger clean als klassische TV-Season-Schlüsse.
Fazit zu Episode 4: Stimmig, bitter-süß, charaktergetrieben – ein Abschluss, der Johns Markenkerne bestätigt und zugleich Reifungs-Risse zeigt.
Figuren, Dynamik & Performance
Captain John Hart bleibt die Achse des Ganzen – charmant, gefährlich, verlogen, verletzlich. Big Finish nutzt das Audioformat, um Nuancen in Stimme, Tempo und Timing herauszuholen, die im TV oft im Effektfeuerwerk untergehen. Marsters liefert feines Mikro-Schauspiel: Ironie, dann zarter Ernst, dann wieder das Grinsen, das Ärger verspricht. Captain Jack Harkness agiert mal als Jäger, mal als Verbündeter, mal als moralische Kontrollinstanz – Barrowman hat hörbar Spaß an der verbale-Duelle-Choreografie. Diese Chemie – zwei Charismatiker, die einander kennen und durchschauen – trägt weite Strecken.
Nebenfiguren (etwa Dr. Magpie auf Nebazz) sind punktgenau geschrieben: funktional für Plot und Thema, aber mit Eigenheiten, die im Kopf hängen bleiben. Die Regie hält das Action-Timing straff, ohne den Charakterraum zu opfern. Sounddesign und die Musikakzente verbinden Pulp-Drive mit Whoniverse-Signalen, sodass sich das Boxset kanon-vertraut und doch eigensinnig anfühlt.
Themen & Motive
Im Zentrum von The Sins of Captain John steht das Motiv der Sünde als Summe aus Verfehlungen, Versäumnissen und eigennützigen Entscheidungen – nicht als kirchliche Kategorie, sondern als moralische Buchhaltung, die irgendwann fällig wird. Johns Vergangenheit ist kein buntes Anekdotenalbum, sondern ein Pfad aus Lücken, gebrochenen Versprechen und kalkulierten Täuschungen, die in der Gegenwart konkrete Konsequenzen haben. Damit verknüpft das Boxset das zweite Leitmotiv: Wissen als Waffe. Von den Gauntlets – Artefakten, die buchstäblich an Leben und Tod rühren – bis zur Vorstadtidylle, in der elementare Aufklärung vorsätzlich fehlt, zeigt jede Episode, wie Information verteilt, vorenthalten oder instrumentalisiert wird. Wer den Zugriff auf Wissen kontrolliert, kontrolliert Handlungsräume; und John, Profi im Erschleichen, Fälschen und Verkaufen von Informationen, prallt immer wieder auf die Grenzen dieses Spiels, wenn eigene Blindstellen aufreißen.
Eng damit verbunden ist die Frage nach Identität: John inszeniert sich als maskierter Charmeur, der jede Lage mit Witz, Sexappeal und Dreistigkeit dreht. Doch hinter der Pose liegt ein Kern aus Kontrollhunger, Bindungsangst und dem ständigen Versuch, Verwundbarkeit mit Tempo zu überschreiben. Das Boxset legt diese Schichten nicht mit erhobenem Zeigefinger frei, sondern über Situationen, in denen die gewohnte Fassade nicht mehr reicht – etwa, wenn alte Deals ihren Preis verlangen oder vermeintliche Spielzeuge wie die Handschuhe eine ethische Schwere entfalten, die Johns Selbstbild ankratzt. Daraus erwächst das klassische Torchwood-Feld der Grauzonen: Es gibt selten die eine richtige Entscheidung, nur Abstufungen zwischen riskant und verwerflich, zwischen notwendig und zynisch. Jack dient dabei als Spiegel und Kontrast – nicht als Heiland, sondern als jemand, der gelernt hat, dass Verantwortung weh tut und trotzdem getragen werden muss.
Als tonale Klammer funktioniert Humor: Johns Schlagfertigkeit und die sarkastischen Seitwärtsbewegungen sind nie nur Gags, sondern Schutzschicht. Wenn der Witz reißt, wird die Figur sichtbar – nicht geläutert, aber erkennbar. Selbst Peach Blossom Heights mit seiner absurden Vorstadt-Satire greift das ernsteste Thema des Sets auf: die politische Dimension von Unwissen. Dass eine Gesellschaft über die Vögel und Bienen im Dunkeln gehalten wird, ist nicht skurriler Zufall, sondern Herrschaftstechnik; sobald Wissen zirkuliert, verschiebt sich Macht. Schließlich spannt sich über alle vier Teile das Motiv der Konsequenz: Artefakte, Gefängnisse, Höfe und Nachbarschaften sind nur Bühnen, auf denen rauskommt, was John hineingetragen hat. Das Boxset behauptet keine Wunderheilung, aber es markiert Reibungspunkte, an denen Pose, Wissen und Gewissen miteinander kollidieren – und genau dort entsteht die Spannung, die John Hart über den reinen Gauner hinaus interessant macht.

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Jetzt als PWA installierenDramaturgie & Tonalität
Das Set wechselt bewusst die Register: Historienabenteuer → Heist-Thriller → Weird-Satire → Noir-Abrechnung. Das sorgt für Frische und hält das Tempo hoch, ohne in monotoner Action zu erstarren. Gleichzeitig setzt David Llewellyn Motiv-Refrains, die Kohärenz erzeugen. Scott Handcock schneidet die Folgen auf Marsters’ Stärken zu: pointierte Punchlines, dann ernsthafte Beats ohne Grimdark-Schwerfälligkeit.
Audioseitig überzeugt eine klare Raumzeichnung: Zellen-Hall auf Nebazz, Holz- und Stadtrauschen im historischen London, fluffig-unheimliche Kulisse in der Vorstadt – stets erkennbar, nie überladen. Die Action bleibt hör-bar: Effekte markieren Bewegungsachsen, Dialoge tragen Plotlast, Musik setzt Druckpunkte.
Für wen ist das Boxset?
The Sins of Captain John richtet sich an alle, die Torchwood für seine Grauzonen mögen und John Hart nicht nur als Sprücheklopfer, sondern als vollwertige Figur erleben wollen. Wer die Dynamik zwischen John und Jack schätzt, bekommt hier das volle Paket aus Wortgefechten, Zweckbündnissen und Vergeltungsspielen – mal frech, mal überraschend ernst. Big-Finish-Hörer, die Abwechslung lieben, sind ebenfalls richtig: Das Set springt bewusst zwischen Historienabenteuer, Heist-Thriller, satirischer Weird-Fiction und düsterer Abrechnung, ohne den roten Faden (Wissen, Verantwortung, Konsequenz) zu verlieren. Für Whoniverse-Fans, die Lore mögen, gibt es genug Futter um die Handschuhe und Johns Zeitagenten-Vergangenheit, ohne dass man sich in Kontinuitätsballast verliert – Vorkenntnisse sind hilfreich, aber nicht zwingend. Hörspielfans, die Wert auf Schauspiel und Sounddesign legen, bekommen präzise Mikro-Performance, klares Action-Timing und starke Raumzeichnung; wer mit Big Finish starten will, findet einen zugänglichen Einstieg, weil die vier Teile in sich rund sind. Nicht ideal ist das Boxset für Hörer, die ausschließlich klassisches Torchwood-Noir oder Horror erwarten, denn gerade Peach Blossom Heights spielt bewusst mit Tonbrüchen und satirischem Überbau. Wer jedoch Lust auf ein charakterzentriertes Antihelden-Porträt mit Tempo, Biss und einem Finale hat, das auf Figur statt Kanon-Knalleffekt setzt, dürfte hier sehr viel Freude haben.
Kritik & kleine Vorbehalte
The Sins of Captain John lebt vom Registerwechsel – genau das kann aber auch stolpern lassen. Wer eine durchgehend düstere Noir-Linie erwartet, könnte sich am bewusst verspielten Ton von Peach Blossom Heights reiben, der Satire und Weirdness vor den klassischen Torchwood-Grusel schiebt. Der Bogen von Historie über Heist zur Vorstadtparabel ist dramaturgisch reizvoll, verlangt aber Bereitschaft, die Tonlage mitzunehmen, statt sie als Bruch zu empfinden. Auch das Finale setzt stärker auf einen charakterzentrierten Abschluss als auf den großen Kanon-Knalleffekt. Das ist konsequent für eine Figur wie John Hart, kann aber bei Hörern, die eine mythologisch große Enthüllung erwarten, ein Gefühl von Understatement hinterlassen.
Gelegentlich fühlt sich Johns moralische Elastizität wie ein eingeplanter Joker an: Der Text rechnet mit seiner Unberechenbarkeit, macht sie zum Motor – und riskiert damit, dass manche Entscheidungen weniger aus innerer Notwendigkeit als aus Plot-Ökonomie wirken. Ähnlich ambivalent ist der Humor. Marsters’ Timing sitzt, die Pointen tragen, doch an ein, zwei Stellen dünnt der Witz die Fallhöhe aus, wo ein Tick mehr Ernst den Moment nachhaltiger gemacht hätte. Wer John primär für die frechen Oneliner schätzt, bekommt reichlich Futter; wer nach tiefer Läuterung sucht, findet eher feine Risse als große Bekenntnisse.
Schließlich ist die Lore-Dosis um die Gauntlets gut temperiert, aber nicht überreich. Das schützt vor Infodump, lässt allerdings neugierige Hörer mit ein paar offenen Fragen zurück, die man sich als mutigere Vertiefung hätte wünschen können. Unterm Strich sind das jedoch kleine Vorbehalte in einem Boxset, das klar weiß, was es erzählen will: weniger Weltgeschichte um jeden Preis, mehr konzentrierte Figurenschärfung – und genau daran misst es sich.
Produktion & Einordnung in Big-Finish-Torchwood
Die Produktion von The Sins of Captain John trägt die typische Handschrift der Big-Finish-Torchwood-Releases: straffe Regie, pointiertes Actors’ Timing und ein Sounddesign, das Räume klar trennt, Action lesbar hält und Dialoge stets nach vorn stellt. Man hört, dass hier auf Szenenrhythmus geachtet wurde – Übergänge sind sauber gesetzt, Set-Pieces (Gefängnisausbruch, Hofintrige, Vorstadt-Surrealismus) bekommen jeweils eine eigene akustische Textur, ohne sich in Effekten zu verlieren. Die Musik arbeitet als Klammer: treibend in den Thriller-Momenten, zurückgenommen in den Charakterszenen, mit genug Wiedererkennbarkeit, um das Boxset im bekannten Torchwood-Gefühl zu verankern. Entscheidender Produktionsvorteil ist die klare Fokuslage: Ein Autor steuert alle vier Teile, eine Regie hält die Tonlage zusammen – so wirken Registerwechsel nicht wie Zufall, sondern wie bewusstes Formprinzip.
Innerhalb der Big-Finish-Torchwood-Landschaft positioniert sich das Boxset als Sonderfall mit Scharnierfunktion. Es steht außerhalb der Monatsreihe und der Unterlabels (Torchwood One, Soho u. a.), knüpft aber thematisch an zentrale Motive der Serie an: Grauzonenethik, gefährliche Artefakte, persönliche Schuld. Durch die Konzentration auf John Hart funktioniert es zugleich als Charakterstück und als Ergänzung zum größeren Whoniverse – es erzählt keine Pflicht-Mythologie, erweitert aber Perspektiven (etwa auf Macht durch Wissen) so, dass Stammhörer belohnt und Einsteiger nicht überfordert werden. Der Staffelcharakter – vier Episoden, ein Bogen – nutzt das Boxset-Format ideal: Jede Folge hat ein eigenes Genre-Gewand, doch wiederkehrende Motivanker sorgen für Kohärenz.
Auch im Vergleich zu anderen Big-Finish-Veröffentlichungen wirkt The Sins of Captain John wie ein bewusst kuratierter Gegenpol zu reinem Monster-of-the-Week-Erzählen. Historische Kulisse, Heist-Mechanik, satirische Weirdness und düstere Abrechnung geben der Staffel eine Spannweite, die man in der kompakten Form einer 4-Teile-Box selten so geschlossen bekommt. Produktion und Einordnung greifen dabei ineinander: Das Audio nutzt seine Stärken – Stimmnuancen, Präzision im Schnitt, kontrollierte Dynamik – und das Label nutzt seine Freiheit, tonale Experimente zuzulassen, ohne den Markenkern zu verwässern. Ergebnis ist ein Set, das sowohl im Regal der Specials auffällt als auch im Gesamtkanon schlüssig sitzt: charakterzentriert, akustisch fokussiert, thematisch eindeutig Torchwood.

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The Sins of Captain John ist keine Nummernrevue aus Einzelexzessen, sondern ein kuratierter Vierakter über Macht, Wissen und Verantwortung – verpackt als Gauner-Sci-Fi mit Humor und Herz. James Marsters trägt das Set mit präziser Stimmarbeit; John Barrowman setzt Kontrapunkte und Feuer. David Llewellyn verknüpft die Episoden thematisch, Scott Handcock hält die Zügel eng genug, um Tempo zu sichern, und locker genug, um Stilwechsel zu erlauben.
Wer John Hart bisher vor allem als spruchklopfenden Chaos-Agenten mochte, bekommt genau das – plus Schattierungen, die nachhallen. Wer Torchwood für moralische Grautöne schätzt, findet hier eine konzentrierte Dosis. Und wer Big Finish als Format liebt, erlebt, wie Audio mit Setting-Wechseln, Dialog-Druck und Soundtexturen Kino im Kopf erzeugt.
Empfehlung: Zugreifen – besonders, wenn du auf Charisma-Duelle, Heist-Drive und clevere Weird-Abzweige stehst. Als Bonus liefert es genug Mythos-Futter, um die Whoniverse-Antenne angenehm kribbeln zu lassen, ohne in Lore-Überfrachtung zu kippen.
Torchwood – The Sins of Captain John
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- Label / Verlag: Big Finish Productions
- Veröffentlicht:
- Genre: Science-Fiction
- Herkunft: Großbritannien
Produktion
- Buch: David Llewellyn
- Regie: Scott Handcock
- Produzent: James Goss
- Executive Producer: Jason Haigh-Ellery & Nicholas Briggs
- Skriptbearbeitung: James Goss
- Musik: Rob Harvey
- Zusätzliche Musikthemen: Blair Mowat & Ben Foster
- Theme Music: Murray Gold
- Sounddesign: Rob Harvey
- Cover-Artwork: Lee Binding
Sprecher
- Captain John Hart – James Marsters
- Captain Jack Harkness – John Barrowman
- The Archivist – Christopher Allen
- Caitlin – Ayesha Antoine
- Ilsa Vargosh – Rosie Baker
- Grimble – Connor Calland
- Sir Thomas Pewsey – Silas Carson
- Miss Slaughter – Dona Croll
- Frances, Duchess of Winchester – Laura Doddington
- Dr Magpie – Kathryn Drysdale
- Mohisha Varma – Serin Ibrahim
- Chester Vamooth – Matthew Jacobs-Morgan
- Trevor – Robbie Jarvis
- Jillix – Nicholas Khan
- King Charles II – Wilf Scolding
- Uther Vargosh – David Sibley
- Darius Vargosh – Rick Yale
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