
Nach dem doppelten Cliffhanger am Ende von Staffel 1 kehrt die Serie mit einem Zeitsprung zurück. Miles Vidan versucht, so etwas wie Alltag zu leben; Sally Hansen ist an seiner Seite; Sheriff Lennox erholt sich, Nawat McKay bleibt der Brückenkopf zu Tradition und Ritualen, und Kirima ist weiterhin Teil des erweiterten Kreises. Doch Blackdale kommt nicht zur Ruhe: Der Newell-See spuckt Hinweise auf eine Mutation aus, und alsbald überschneiden sich Naturphänomene, Kult-Aktivitäten und Avantage-Interessen so eng, dass sich alles erneut auf Miles’ Heimatort fokussiert. Als Gegenspieler sitzt Mr. Haze die Fäden zusammen – und sucht in Blackdale eine Art Operationsbasis, während er zugleich Denise Sundberg in seiner Gewalt hat, die mit jener Organisation zusammenhängt, die Haze’ Pläne konterkariert. Tonal wählt Staffel 2 ein gedrosseltes Erzähltempo, zieht daraus Atmosphäre und Druck, baut aber zugleich auf stetige Eskalation: Wetterumschwünge, Schwärme stürzender Vögel, körperliche und geistige Veränderungen bei Bewohnern – all das verdichtet die Vorahnung, dass hier eine größere Ordnung auf den Abschluss drängt, den schon der Titel der finalen Folge andeutet: Vollendung? (Fragezeichen inklusive).
Folgenzusammenfassungen
Folge 1: Ende der Stille
Die Staffel eröffnet mit einem Rückblick auf die Verwerfungen der ersten zehn Episoden, dann vollzieht die Erzählung einen Zeitsprung von rund eineinhalb Jahren. Miles und Sally haben privat zueinander gefunden, beruflich versucht Miles, mit Sheriff Lennox und den Kollegen wieder Routine in Blackdale zu etablieren. Doch schon das erste neue Ereignis zerstört die fragile Ruhe: Zwei alte Bekannte, Dick Holloway und Mike Granger, gehen in aller Früh an den Newell-See – und was dort in ihre Netze gerät, ist kein normaler Fang. Aus den Kiemen einer Forelle platzt eine Made, springt Mike an und verbeißt sich. Sally versorgt die Wunde, kann den Vorfall aber rational nicht einordnen. Miles bittet Nawat, das Gewässer und die Umgebung zu prüfen; Hinweise mehren sich, dass der See nicht normal ist. Black Juice scheint wieder eine Rolle zu spielen – oder etwas, das daraus hervorgeht. Die Stille der Zwischenzeit erweist sich als Trugschluss: Blackdale beginnt, zu reagieren, als hätte etwas im Verborgenen monatelang gearbeitet und nun die Oberfläche durchstößt. Der Ton ist weniger spektakulär als latent bedrohlich – das Ende der Stille ist kein Paukenschlag, sondern eine kalte, unheimliche Rückkehr zur Unruhe.
Folge 2: Der Allumfassende
Parallel zur Spur am See entwickelt sich die Sektenthematik: In der Nähe Blackdales agiert eine Gemeinschaft, die sich dem Allumfassenden verschrieben hat. Ihre Dogmen sind vage, doch die Anziehungskraft auf Suchende ist hoch. Mr. Haze nutzt die Farm und das Geflecht aus devoten Figuren als Operationsbasis. Die Verzahnung ist klar: Der Kult wird zur Schutzhülle und zum Resonanzkörper für Maßnahmen, die im Schatten laufen. Haze treibt Entführungen und Manipulationen voran, und Denise Sundberg, die Verbindung zu einer Gegenorganisation, sitzt ihm in der Falle. Die Folge etabliert den Glaubens-Überbau dieser Staffel: Es geht nicht nur um Monster oder Stoffe, sondern um Deutungsmacht – um die Frage, wer die Welt als System begreift und die eigenen Rituale wirksam machen kann. Der Allumfassende ist dabei weniger Figur als Prinzip: ein Container für Sehnsucht, Kontrolle und Versprechen.
Folge 3: Yunaska-Island
Die Spur führt – wie schon in Staffel 1 – wieder weit hinaus. Der Titel verweist auf Yunaska Island in den Aleuten. In den Recherchen taucht die Beziehung zu nördlichen Gebieten erneut auf: Was immer Black Juice ist, es scheint geografische Knotenpunkte zu setzen – Orte, an denen sich Phänomene bündeln. Die Folge treibt zwei Ebenen: Erkundung und Rückblenden. Zum einen ringen Miles und seine Verbündeten darum, was genau Avantage sucht und warum Haze mit einem Kult statt mit Konzernen arbeitet. Zum anderen füllt die Folge Hintergründe um Kirima und die Kälte-Sphäre: Erzählungen, Mythen, Inuit-Kontexte blitzen auf. Atmosphärisch kippt die Folge zwischen Expeditions-Kälte und akustischer Enge. Von Yunaska kehren die Figuren nicht mit großen Antworten zurück – aber mit dem Gefühl, dass oben im Nördlichen etwas länger währt als jede einzelne Intrige. Der Black-Juice-Kosmos reicht über Blackdale hinaus – und zieht Kreise, als wären die Aleuten ein Ursprungs- oder Transfer-Knoten.
Folge 4: Die Geplagten
Zurück in Montana verschärft sich die Lage. Der Madenbefall wird sozial sichtbar: Schlafstörungen, Gereiztheit, körperliche Irritationen, kleine Aussetzer – die Bewohner beginnen, sich zu verändern. Nicht jeder, der geplagt ist, erkennt es in sich selbst, und so entstehen Risse: Misstrauen frisst sich durch Straßenzüge; Freundschaften erodieren, Familien werden still. Sally arbeitet unermüdlich, gerät aber fachlich wie moralisch an Grenzen. Nawat versucht, Rituale zu reaktivieren, um wenigstens diagnostische Zeichen zu deuten. Miles hält Ordnung, so gut es geht, während Sheriff Lennox weiterhin zwischen Genesung und Pflicht balanciert. Die Geplagten legt die menschliche Seite frei: Wer unter schleichender Beeinflussung steht, ist Täter und Opfer zugleich – und wer gesund scheint, wird zum Wächter oder Denunzianten. Die Folge ist von angeschwollener Stille geprägt; Geräusche der Natur wirken fremd, als würde die Landschaft mit erkranken.
Folge 5: Evolution
Die Körper-Veränderungen und Verhaltensdrifts erhalten einen Namen: Evolution – allerdings keine, die man feiern würde. Hinweise deuten darauf, dass Black Juice nicht nur toxisch ist, sondern adaptiv wirkt: Was in Staffel 1 als schwarze Substanz in Tatortnähe auftrat, verflüchtigte sich damals noch jeder Untersuchung, zeigte aber Potential, Biologien umzuschreiben. Nun werden aus Maden – Mechanismen. Organismen scheinen nützliche Eigenschaften abzurufen: Härte, Resistenz, Aggressionsverschiebungen. Avantage – so die Hypothese – wollte diese Dynamik kontrollieren, Haze aber geht weiter: Er lässt Natur und Glauben aneinander koppeln. Die Folge setzt visuell-akustisch auf Metamorphose: feuchtes Kriechen, Knacken, ein subkutaner Puls. Zum ersten Mal drängt sich die Frage auf, ob Black Juice ursächlich ist – oder ob es nur Katalysator eines Systems ist, das größer ist als Konzern, Kult, Staat zusammen.

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Diese Monster kommen mit Sound!Folge 6: Vernichtung
Im Mittelpunkt steht die drohende Auslöschung – als Plan, als Vision, als Warnbild. Haze verengt den Korridor: Denise wird als Faustpfand eingesetzt, Sektengläubige heizen die Stimmung mit Heil- und Untergangsrede an. Wetterumschwünge und Vogelfälle verdichten sich; das Umland gerät in eine Ausnahme-Logik. Miles’ Team steht vor der Entscheidung: Schutz, Angriff, Rettung – aber wovon, gegen wen, für wen? Die Folge spitzt die moralische Zwickmühle zu: Wenn Vernichtung nicht nur bedeutet, etwas zu zerstören, sondern etwas Falsches zu vollenden, wie hält man an Werten fest, ohne naiv zu sein? Ein Einsatz am See eskaliert; Sally setzt alles daran, medizinisch zu halten, was zu halten ist; Nawat schlägt einen Ritus vor, der Schutz verspricht, aber Opfer verlangen könnte. Die Episode steht als Drehpunkt: Der Horror wird organisiert.
Folge 7: Lügen
Die siebte Folge dreht an der Informations-Schraube: Decknamen, falsche Spuren, Doppelspieler, Überläufer – die Handlung schält Schicht um Schicht ab. Avantage ist nicht homogen, Haze nicht allmächtig, die Organisation, die gegen ihn arbeitet, nicht sauber. Lügen sind Währung: um Zugang zu erhalten, Misstrauen zu säen, Zeit zu gewinnen. Für Miles entsteht eine Paradoxie: Wer wahr spricht, gefährdet, wem er glaubt; wer lügt, schützt vielleicht das größere Ganze. Die Folge nutzt Dialoge und Kammerspiel-Momente, um die emotionale Lage der Figuren zu vermessen – Eifersucht, Schuld, Erlösungswünsche. Private Brüche werden sichtbar: Wer steht wirklich zu wem – und warum? Ausgerechnet in dieser Phase scheint sich der Allumfassende zu stabilisieren: Je mehr Widerspruch von außen, desto stärker wirkt die Verheißung nach innen.
Folge 8: Falsche Menschen
Wenn Black Juice Evolutionsdruck erzeugt und Lügen die Wahrnehmung vernebeln, dann ist die Folgerung klar: Identität wird unscharf. Falsche Menschen spielt mit Doppelungen: Wer ist fremdgesteuert? Wer spielt? Wer ist noch der, für den man ihn hielt? Kleinste Abweichungen in Mimik, Stimme, Reaktionszeit – die Folge verlagert den Horror in die Mikroebene. Sally erkennt Muster in Labordaten und Befunden, die nicht alle zur klassischen Infektionslogik passen. Nawat liest die Zeichen – und findet Unstimmigkeiten in Ritualüberlieferungen, als wären alte Texte verändert worden. Haze triumphiert nicht laut, sondern leise: Seine Architektur besteht darin, dass Wahrheit nur noch situativ existiert. Für Miles kippt das Ermittlungsdenken: Beweise werden Metaphern. Und unter der Oberfläche drängt ein Programm zur Gestalt – als hätte die Stille der langen Monate neu und anders reden gelernt.
Folge 9: Unerträglich
Die vorletzte Episode ist die Dunkelkammer der Staffel. Druck von außen: Natur, Wetter, Tiere. Druck von innen: Körper, Geist, Beziehungen. Blackdale stöhnt – das Gemeinwesen wird insgesamt krank. Sally stößt an die letzte Grenze dessen, was ein Landarzt-System leisten kann; Miles verheddert sich in rechtlichen und praktischen Dilemmata. Denise bleibt Spielstein auf Haze’ Brett, aber ihr Widerstand blitzt. Kirima – zwischen Herkunft und Hiersein – hält ein leises Gegengewicht. Die Sekte erreicht ihren Hochton: Rituale verdichten sich, Prophezeiungen werden körperlich – durch Kollektivtrance, Zungenreden, Ekstasen, die nicht nur performativ sind, sondern physisch in den Ablauf eingreifen. Das Unerträgliche ist keine Einzelspitze, sondern ein Zustand: Jede Entscheidung kostet zu viel, jedes Zögern ebenso. Die Stadt ist eingekesselt, nicht von Armee, sondern von Bedeutung.
Folge 10: Vollendung?
Das Finale greift die Vorsilben der Staffel auf: Schrei, Stille, Vision, Vernichtung – und stellt die Frage, ob Vollendung eine Bestätigung oder eine Täuschung ist. Haze versucht, die Systeme – Natur, Glauben, Biologie, Macht – zur Deckung zu bringen. Die Organisation auf der Gegenseite riskiert, durch Gegenbewegung genau die Kopplung zu liefern, die Haze braucht. Miles, Sally, Nawat, Kirima – jeder trägt ein Stück der Antwort, aber niemand die gesamte. Wetterextreme und Tiersterben erreichen den Kulminationspunkt; am See verdichtet sich, was über Yunaska, Blackdale und die Farm oszillierte. Ritual und Wissenschaft prallen nicht mehr gegeneinander, sondern fallen zusammen – als ob die Welt eine einzige Formel sprechen wollte, deren Ergebnis offen bleibt. Das Fragezeichen im Titel ist Programm: Vollendung? verweigert die komplette Auflösung – es bildet den Steigbügel zur nächsten Staffel und hält die Ambiguität fest, die VIDAN ausmacht: Nicht alle Antworten befreien.
Themen, Motive und Erzählweise
Schrei nach Stille verwebt drei Grundstränge zu einem dichten Geflecht: Körper, Glaube und Stoff. Was in Staffel 1 als schwarze Substanz eine erste Bedrohung markierte, wird hier zur Grammatik einer Welt, die in Körper hineinschreibt. Der Stoff verändert nicht nur Gewebe, er verschiebt Wahrnehmung und Verhalten – und erzeugt damit einen Druck, unter dem medizinische, polizeiliche und soziale Routinen ineinander greifen und zugleich kollabieren. Parallel dazu erhebt der Kult um den Allumfassenden den Anspruch, Sinn zu liefern, wo die Medizin noch sucht. Glauben wird damit weniger dogmatisches Ornament als operative Infrastruktur: Rituale fungieren als Schnittstellen zwischen Angst, Hoffnung und Handlung. Der Reiz liegt darin, dass die Serie weder Natur noch Glauben absolut setzt, sondern zeigt, wie beide Kräfte sich gegenseitig verstärken, wenn sie auf eine verunsicherte Gemeinschaft treffen.
Blackdale selbst ist mehr als Kulisse; der Ort wird zum Resonanzraum, in dem Wetter, Tiere und Landschaft mitspielen. Die Geräuschkulisse – vom dumpfen Schlagen des Sees bis zu Vogelfällen und plötzlichen Windbrüchen – macht die Umwelt zum handelnden Akteur. Daraus entsteht eine Angstökonomie: Gerüchte zirkulieren wie Infektionen, Nachbarschaften kippen von Fürsorge in Misstrauen, und das Häusliche – Praxis, Farm, Küche – verwandelt sich in Schwellenräume, an denen das Unheimliche zuerst tastbar wird. VIDAN nutzt diesen Kleinstadtmaßstab bewusst: Weil jeder jeden kennt, sind kleinste Abweichungen sofort spürbar. Genau an diesen Mikroverschiebungen setzt der Horror an.
Zentral ist das Motiv der Wahrheit unter Druck. Die Staffel stellt weniger die Frage, welches Rätsel wie gelöst wird, als die Frage, welche Beweise in einer kontaminierten Wirklichkeit noch tragen. Mit den Folgen Lügen und Falsche Menschen verschiebt sich die Perspektive von der Suche nach Fakten zur Prüfung von Kontexten: Stimmen, Blickkontakt, Reaktionszeiten – Indizien, die sonst Nebenbei sind, werden Hauptsache. Wahrheit erscheint nicht als großer Twist, sondern als Erosionsprozess. In dieser Logik werden Aussagen situativ wahr oder falsch, abhängig davon, wer spricht, wer zuhört und unter welchem Einfluss beide stehen. Das ist nicht relativistisch gemeint, sondern als Stressprobe: Die Serie zeigt, wie Erkenntnisverfahren brüchig werden, wenn das Untersuchungsobjekt zugleich den Untersuchenden verändert.
Thematisch verhandelt Schrei nach Stille zudem die Frage nach Ordnung und Ausnahmezustand. Mr. Haze funktioniert nicht als lauter Antagonist, sondern als Ingenieur von Rahmenbedingungen: Er ordnet Kräfte so an, dass klassische Gegenmaßnahmen ins Leere laufen. Daraus wächst ein zweites Motiv: Verantwortung im Nebel. Miles, Sally und die anderen entscheiden permanent unter Unsicherheit; jede Option kostet – Zeit, Sicherheit, Vertrauen. Die Staffel insistiert darauf, dass Handeln ohne perfektes Wissen nicht Zynismus, sondern Mut verlangt. Gerade deshalb platziert sie Gewissenskonflikte im Zentrum, nicht am Rand.
In der Erzählweise setzt VIDAN auf gedrosseltes Tempo und hohe atmosphärische Dichte. Statt fortwährender Set-Pieces arbeitet die Serie mit Druckaufbau über Klangflächen, Atempausen und dialogische Reibung. Rückblenden und Recherchesplitter öffnen den Raum nach Yunaska und in Mythenwelten, ohne den Fokus auf Blackdale zu verlieren. Dieses Atmen zwischen Engführung und Weitung erzeugt eine anhaltende Beklemmung: Die nächste Eskalation kommt selten als Knalleffekt, sondern als konsequenter Schritt, der im Vorfeld akustisch, emotional und logisch vorbereitet wurde. Wer schnelle Auflösungen erwartet, wird hier bewusst ausgebremst – wer die Spannung aus leisen Verschiebungen schätzt, findet ein stimmiges Design.
Ein weiteres Leitmotiv ist Übersetzung: zwischen Wissensformen (Labor vs. Ritual), zwischen Räumen (Aleuten vs. Montana) und zwischen Zeitregimen (gemächlicher Alltag vs. beschleunigte Krisenlogik). Figuren wie Nawat und Kirima verkörpern dieses Vermitteln, indem sie Naturzeichen, Erinnerungen und Erfahrungswissen lesbar machen, wo Protokolle nicht mehr greifen. So entsteht eine vielstimmige Welt, in der keine Methode allein genügt. Die Serie argumentiert dabei nicht kulturpessimistisch, sondern pragmatisch: Wer mehrere Sprachen der Wirklichkeit spricht, erhöht die Überlebenschancen der Gemeinschaft.
Schließlich spiegelt die Staffel das Menschenbild der Reihe: Kein Heiligenpanorama, keine Dämonisierung des Kollektivs, sondern fragile, fehleranfällige Personen, die aneinander Halt finden – und sich zugleich aneinander reiben. Zuneigung ist hier kein Eskapismus, sondern Ressource; Zweifel sind kein Makel, sondern Schutz vor Verhärtung. Schrei nach Stille bleibt seiner Ambivalenz treu und macht sie zur ästhetischen Haltung: Stille ist nicht Frieden, sondern die Einatmung vor dem nächsten Ausschlag; Vollendung steht nicht als Punkt, sondern als Fragezeichen. Genau daraus bezieht die Staffel ihre Kraft – aus einem Erzählen, das nicht die Welt erklärt, sondern sie so verdichtet, dass man ihre Zumutungen und Möglichkeiten zugleich hört.

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Jetzt dem WhatsApp-Kanal beitretenFigurenlage
Miles Vidan bleibt in Schrei nach Stille der unbequeme Fixpunkt einer Welt, die sich seiner Kontrolle entzieht. Er ist kein Held mit Plan, sondern ein Mann, der aus Pflichtgefühl handelt, obwohl jede neue Spur ihn tiefer in das Dickicht aus Sekte, Konzerninteressen und biologischer Anomalie zieht. Sein Kompass ist nicht Unfehlbarkeit, sondern Standhaftigkeit: Er hört zu, wägt ab, macht Fehler und steht dennoch wieder auf. Gerade diese Verletzlichkeit hält die Geschichte geerdet. Zwischen Loyalität zu Blackdale, Verantwortung für Sally und der wachsenden Einsicht, dass Haze nicht nur Gegner, sondern Architekt eines ganzen Systems ist, verschiebt sich Miles’ Rolle vom Ermittler zum Hüter einer letzten Restordnung – einer Ordnung, die jeden Tag brüchiger wird.
Sally Hansen ist das moralische und praktische Rückgrat der Staffel. Ihre Arztpraxis wird zum Frontabschnitt, an dem das Unsichtbare sichtbar wird: Wunden, die nicht heilen wollen, Verhaltensänderungen, die sich medizinisch kaum fassen lassen, und Entscheidungen, die mehr mit Ethik als mit Diagnostik zu tun haben. Sally handelt nicht, um recht zu behalten, sondern um Menschen zu stabilisieren – selbst dann, wenn Stabilität nur noch bedeutet, Zeit zu gewinnen. Ihre Beziehung zu Miles ist keine romantische Ausflucht, sondern ein stilles Bündnis, in dem beide lernen, dass Fürsorge auch Grenzen zieht: Sie widerspricht, wenn er stur wird; er bremst, wenn sie sich aufreibt. So bekommt Blackdale eine zweite, leise Führungsebene, die nicht von Abzeichen, sondern von Verantwortung lebt.
Nawat McKay steht an der Schwelle zwischen Erinnerung und Gegenwart. Seine Rituale sind keine Folklore, sondern Werkzeuge, um Muster zu erkennen, wenn klassische Logik versagt. Er liest Landschaft, Wetter, Tiere – und erkennt in ihnen Signale, die sich quer stellen zu Polizeibericht und Laborwert. In Nawat kulminiert ein zentrales Motiv der Staffel: Die Welt spricht in mehreren Sprachen zugleich, und wer nur eine versteht, irrt zwangsläufig. Dass er für Miles und Sally zum Berater wird, ohne je zum Guru zu stilisieren, ist eine der klugen Figurenentscheidungen dieser Staffel.
Kirima erweitert diesen Resonanzraum ins Nördliche. Sie bringt Erfahrung aus Regionen mit, in denen das, was Blackdale erschüttert, nicht als Ausnahme gilt, sondern als Härte der Natur: Kälte, Weite, ein anderes Zeitgefühl. Ihre Perspektive verknüpft die lokale Krise mit einem größeren Gefüge. Sie ist keine Exotin, sondern diejenige, die Dinge zusammensieht, die für andere getrennt erscheinen: Konzernlogik und Kultlogik, Biologie und Mythos, Menschenwille und Landschaftswille. Dass sie nicht mit Antworten, sondern mit Haltung arbeitet, macht sie zu einer ruhigen, aber wichtigen Achse im Ensemble.
Mr. Haze ist der Antagonist, der mehr über Strukturen als über Auftritte definiert wird. Er gewinnt nicht, weil er stärker ist, sondern weil er das Spielfeld so umbaut, dass Stärke irrelevant wird. Er braucht die Sekte nicht als Tarnung, sondern als Verstärkerkörper: Glaube als Infrastruktur. In seiner Nähe steht Denise Sundberg, die scheinbar als Pfand dient und doch zeigt, dass Widerstand auch dann möglich ist, wenn man gefesselt scheint. Gerade sie verleiht der Gegenseite Kontur: Es gibt kein sauberes Wir gegen die, sondern Netzwerke, Risse, Kompromisse, durch die hindurch Menschen Haltung bewahren oder verlieren.
Sheriff Lennox verkörpert den Preis des Durchhaltens. Er ringt mit Genesung, Pflicht und der Erkenntnis, dass klassische Ordnungsmuster – Berichte, Zuständigkeiten, klare Ketten – gegen einen Gegner stumpf sind, der Körper, Klima und Köpfe zugleich anspricht. In seinen Momenten der Müdigkeit zeigt die Serie, was auf dem Spiel steht: Nicht ein Fall, sondern die Funktionsfähigkeit eines Gemeinwesens. Dazwischen blitzen Figuren wie Dick Holloway oder Mike Granger auf, die das Kollektivgefühl von Blackdale tragen: Nachbarn, die morgens zum See gehen und abends als Problem zurückkehren, ohne selbst zu wissen, was mit ihnen geschieht. An ihnen wird sichtbar, dass die Geplagten kein Fremdkörper von außen sind, sondern wir selbst, wenn das Gewohnte kippt.
So verteilt Staffel 2 ihre Gewichte klug: Miles als Anker, Sally als Gewissen, Nawat und Kirima als Übersetzer zwischen Weltbildern, Haze als Ingenieur des Ausnahmezustands, Denise als innerer Widerstand, Lennox als Mahnung, dass Ordnung Menschen kostet. Aus dieser Konstellation entsteht kein Heldensaga, sondern eine fragile Verteidigungslinie, in der Zuneigung, Zweifel und Pflicht nicht gegeneinander ausgespielt, sondern täglich neu austariert werden. Genau deshalb wirkt VIDAN hier so drängend: Die Figuren tragen nicht nur Handlung, sie tragen Folgen – für sich, füreinander und für einen Ort, der lernt, dass Stille manchmal nur die Einatmung vor dem nächsten Sturm ist.

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Schrei nach Stille ist keine Kopie von Staffel 1. Die Serie verzichtet auf ständige Set-Pieces und investiert in Stimmung, Misstrauen und die Anatomie von Einfluss: Wie wirkt ein Stoff auf Körper? Wie wirkt Glaube auf Gemeinschaft? Wie wirkt Angst auf Wahrheit? Die zehn Folgen bauen kontinuierlichen Druck auf, lassen aber Ambivalenz bestehen – das Fragezeichen im Finale ist ehrlich verdient. Wer langsames, klaustrophobisches Mystery-Erzählen schätzt, wird reich belohnt; wer die Dichte und Spitzen von Staffel 1 erwartet, spürt hier und da Längen, die allerdings konzeptionell begründet sind. Für das Gesamtprojekt VIDAN ist Staffel 2 der notwendige Brückenschlag: Die Welt wird größer, die Regeln werden fremder – und man versteht, warum die nächste Stufe nicht als einfache Auflösung, sondern als neue Eskalation kommen muss.
VIDAN: Welche Staffel ist dein Favorit?
Staffel 1 – Schrei nach Stille, Staffel 2 – Schrei nach Angst oder Staffel 3? Kurz begründen – 2–3 Sätze reichen.
VIDAN – Staffel 2: Schrei nach Stille
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- Label / Verlag: Europa
- Veröffentlicht:
- Herkunft: Deutschland
Produktion
- Autor & Regie: Raimon Weber
- Produzenten: Raimon Weber & Uwe-J. Kaddik
- Ton & Technik: Micro Studio Dortmund , Joachim Serges
- Sprachaufnahmen (Berlin): Tommi Schneefuß , Sound of Snow Studio
- Musik: Andreas Hötter , Orcas Studios
- Vidan Main Theme: geschrieben & produziert von Andreas Hötter für Orcas Studios
- Grafik: DANGEROUS Werbeagentur
- Redaktion: Hilla Fitzen
Sprecher & Rollen
- Erzähler – Gordon Piedesack
- Miles Vidan – Lars Schmidtke
- Kirima – Corinna Dorenkamp
- Nawat – Norman Matt
- Nootau – Bert Stevens
- Doc sally Hansen – Luise Helm
- Sheriff Lennox – Jürgen Kluckert
- Deputy Duvall – Daniel Rothaug
- Mr. Haze – Udo Schenk
- Beth – Cornelia Meinhardt
- Mrs. Hamilton – Jule Vollmer
- Deputy Stoker – Markus-Andreas Klauk
- Denise Sundberg – Gergana Muskalla
- Curtis – Daniel Finger
- Susan – Maria Koschny
- Mike Granger – Christian Krause
- Ric Vidan – Martin Keßler
- Tankwart Holloway – Klaus Lochthove
- Wonder-Bill – Bodo Wolf
- Bo Vargas – Peter Flechtner
- Ein Chinese – Lukas Kaddik
- Jünger Stanley – Gerrit Schmidt-Foß
- Jüngerin Eliza – Luisa Wietzorek
- Allumfassenden – Raimon Weber
- Dr. Lucas – Stephan Keim
- Prof. Grasso – Michael Pan
- Captain Murphy – Kaspar Eichel
- Douglas Helfer Haze – Marcel Colle
- Mojag – Sebastian Fitzner
- Techniker Schiff – Ekkehard Freve
- Assistent Schiff-Tucker – Michael Borgard
- Martinez 1. Offizier – Marco Kröger
- Kahlan Mulligan – Ann-Kathrin Hinz
- Priester Leonard Amber – Fritz Rott
- Ahsley Coltrane – Sabine Jäger
- Janette Mayfield – Arianne Borbach
- Jacob Dekker – Olaf Reitz
- Abigail Nash – Eva-Maria Werth
- Exzellenz – Thomas Anzenhofer
- Mr Weiss – Tom Vogt
- Melissa Weiss – Kathrin Bolle
- Jünger Hank – Kris Köhler
- Tankwagenfahrer – Patrick Joswig
- Tante Britt – Anke Reitzenstein
- Ingenieur Kalenga – Andi Krösing
- Mitarbeiter des Gouverneur – Slim Weidenfeld
…und viele andere.

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