Edgar Wallace Legends – Die toten Augen von London

Ein düsterer Auftakt in die neue Reihe

Mit der Veröffentlichung von Die toten Augen von London startete Holysoft im März 2025 die Krimireihe Edgar Wallace Legends. Gleich zum Beginn greift das Label einen der bekanntesten und zugleich unheimlichsten Stoffe von Edgar Wallace auf – eine Geschichte, die bereits durch den Roman The Dark Eyes of London und diverse Filmversionen Kultstatus erlangte. Die Hörspielumsetzung bringt diesen Stoff in einer Mischung aus klassischem Krimiflair und moderner Produktionsweise zurück ins Ohr.

Die Handlung ist im London der Zwischenkriegszeit angesiedelt, einer Stadt voller Gegensätze: prunkvolle Geschäftsviertel treffen auf neblige Docklands, geschäftiges Treiben am Tage weicht nachts einer Welt aus Schatten, in der sich Gestalten bewegen, deren Absichten selten ehrenhaft sind. Hier tritt eine geheimnisvolle Gruppe blinder Männer auf, deren Ruf ihnen weit voraus eilt. In den engen Gassen wird nur geflüstert über sie gesprochen – die toten Augen von London. Wer ihnen begegnet, ist dem Untergang geweiht.

London im Nebel

Die Handlung setzt an einem regnerischen Abend in der britischen Metropole ein. Die Themse fließt träge unter den Brücken hindurch, Nebelschwaden ziehen zwischen den Gaslaternen, und irgendwo hallt das dumpfe Läuten einer Kirchenglocke. In dieser bedrückenden Atmosphäre wird ein grausiger Fund gemacht: Im Hafenbecken treibt die Leiche von Gordon Stuart, einem wohlhabenden älteren Mann. Der Zustand des Körpers lässt keinen Zweifel – er wurde ermordet. Noch beunruhigender ist jedoch die Tatsache, dass in der Nähe des Tatorts eine Gruppe blinder Männer gesehen wurde. Diese Männer sind in London berüchtigt und werden in den Gassen nur geflüstert „die toten Augen“ genannt.

Atmosphäre und Setting

Von der ersten Minute an entfaltet die Produktion eine Atmosphäre, die gleichzeitig vertraut und bedrohlich wirkt. Der Klang von Pferdekutschen auf nassem Kopfsteinpflaster, das entfernte Tuten der Schiffe auf der Themse, das Schlagen einer Kirchturmuhr im Nebel – all diese akustischen Elemente weben sich zu einem Klangteppich, der den Hörer mitten in die Welt von Edgar Wallace versetzt.

Die Geschichte nutzt bewusst den Kontrast zwischen dem sichtbaren Alltag und dem verborgenen London der Nacht. Während die Straßen im Tageslicht geschäftig und belebt sind, verwandelt sich die Stadt im Dunkeln in einen Ort, an dem unheimliche Begegnungen drohen. Die titelgebenden toten Augen tauchen stets dort auf, wo das Licht versagt und nur noch das Gehör den Weg weist. Das macht sie zu Figuren, die schon durch ihre Präsenz Unruhe stiften.

Figuren im Mittelpunkt

Zentraler Anker der Geschichte ist Inspector Larry Holt, der bei Holysoft von Nico Sablik gesprochen wird. Er verkörpert einen Ermittler, der Ruhe und Entschlossenheit ausstrahlt, stets bedacht vorgeht und dennoch entschlossen handelt, wenn es die Situation erfordert. Holt steht für die Vernunft in einer Welt, die oft von Aberglauben, Gerüchten und Angst bestimmt wird.

Sein Gegenpol ist Sergeant Sunny Harvey, gesprochen von Jan Langer. Harvey bringt Witz und Lockerheit in die Geschichte, ohne dabei ins Lächerliche zu kippen. Er dient als Sympathieträger und liefert den Zuhörern eine zweite Perspektive auf die Ermittlungen.

Auf der Gegenseite stehen Figuren wie Reverend John Dearborn (Holger Umbreit), der Leiter eines Heims für Blinde, oder Stephen Judd (Sven Brieger), ein Anwalt mit undurchsichtigen Verbindungen. Beide Figuren strahlen nach außen Respektabilität aus, während ihre inneren Motive im Dunkeln bleiben. Diana Ward (Marieke Oeffinger) bringt als Sekretärin und mögliche Zeugin eine weitere Facette ins Spiel – sie steht zwischen Loyalität und wachsendem Misstrauen. Ergänzt wird das Ensemble durch markante Nebenfiguren wie Flimmer-Fred (Fabian Kluckert), der die Unterweltstimmung Londons verkörpert.

Die zentrale Bedrohung

Das eigentliche Mysterium bilden die toten Augen selbst – eine Bande blinder Männer, die dennoch präzise und koordiniert agieren. Ihre Blindheit wird zur Tarnung und gleichzeitig zu ihrem Markenzeichen. Der Gedanke, dass Menschen, die ohne Augenlicht durchs Leben gehen, im Verborgenen als gefährliche Verbrecher agieren, ist ein klassisches Wallace-Motiv: Er spielt mit dem Ungewöhnlichen, dem Unheimlichen, das sich unter einer vermeintlich harmlosen Oberfläche verbirgt.

In der Hörspielversion wird dieser Aspekt durch gezieltes Sounddesign verstärkt. Die Schritte der Männer hallen dumpf auf dem Pflaster, das Klackern ihrer Stöcke wird zum akustischen Vorboten, dass etwas Schreckliches bevorsteht.

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Klangbild und Inszenierung

Die Produktion lebt stark von ihrer akustischen Gestaltung. Walter Till hat ein Sounddesign geschaffen, das sowohl detailreich als auch zurückhaltend ist – Geräusche sind nie Selbstzweck, sondern dienen dem Erzählen. Besonders auffällig ist die Nutzung von Raumklang: Dialoge im Freien wirken weit und offen, während Szenen in engen Gassen oder Innenräumen eine spürbare Enge erzeugen.

Die Musik setzt auf eine Mischung aus klassischen Krimi-Motiven und dezenten modernen Elementen. So entsteht eine Klangwelt, die einerseits an die schwarzweißen Wallace-Filme erinnert, andererseits genug Eigenständigkeit besitzt, um als neue Interpretation zu bestehen.

Dramaturgischer Aufbau

Statt sofort alle Karten auf den Tisch zu legen, arbeitet die Geschichte mit Andeutungen. Der erste Mordfall wird zwar geschildert, doch bleibt lange unklar, wie die toten Augen in das Geschehen verwickelt sind. Inspector Holt und Sergeant Harvey müssen sich durch ein Netz aus Lügen, Halbwahrheiten und falschen Fährten arbeiten. Dabei geraten sie in Kontakt mit Personen, deren Glaubwürdigkeit ständig hinterfragt werden muss.

Diese Struktur gibt der Folge einen langsamen, aber stetig zunehmenden Spannungsbogen. Es ist weniger ein rasantes Actionstück als vielmehr ein klassischer Ermittlerkrimi, der seine Spannung aus Dialogen, Beobachtungen und der wachsenden Bedrohung bezieht.

Die Rolle Londons

Ein weiterer Hauptdarsteller neben den Figuren ist die Stadt selbst. Das London der Edgar Wallace Legends ist kein neutraler Hintergrund, sondern ein lebendiger Organismus. Jede Straße, jeder Nebenschauplatz trägt zur Atmosphäre bei: das geschäftige Treiben am Hafen, die düsteren Seitenstraßen, die gepflegten, aber kalten Büroräume in der City.

Dieses London ist zweigeteilt: Auf der einen Seite die repräsentative Oberfläche mit Kirchen, Theatern und Geschäftsgebäuden, auf der anderen Seite die finstere Unterwelt, in der Gestalten wie Flimmer-Fred verkehren und in der die toten Augen ihre Opfer finden.

Produktionsteam und Sprecherleistung

Neben den bereits genannten Hauptsprechern ist es vor allem das Zusammenspiel des gesamten Ensembles, das die Folge trägt. Die Besetzung wirkt durchgehend passend und glaubwürdig. Die Regie von Dirk Jürgensen sorgt dafür, dass Dialoge organisch fließen und keine Szene gekünstelt wirkt.

Marc Freund als Autor bringt einen Erzählstil ein, der respektvoll mit der Vorlage umgeht, aber nicht sklavisch an ihr klebt. So werden Szenen ergänzt oder leicht verändert, um im Hörspielmedium besser zu funktionieren. David Holy als Produzent sorgt dafür, dass alle Elemente – Skript, Regie, Sound, Musik – zu einem einheitlichen Ganzen verschmelzen.

Fazit und Bedeutung als Serienauftakt

Die toten Augen von London ist mehr als nur die erste Folge einer neuen Reihe – es ist eine programmatische Einführung in das, was Edgar Wallace Legends sein will: eine Hommage an die klassischen Kriminalgeschichten von Edgar Wallace, erzählt mit den Mitteln und Möglichkeiten moderner Hörspielproduktion.

Der Fokus auf Atmosphäre, präzise Figurenzeichnung und das Wechselspiel zwischen Licht und Schatten macht diese Auftaktfolge zu einem starken Fundament für die kommenden Geschichten. Wer London im Nebel, Ermittler mit Haltung und geheimnisvolle Gegner schätzt, findet hier den perfekten Einstieg.

Edgar Wallace Legends – Die toten Augen von London

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Produktion

  • Produktion: David Holy
  • Skript:
  • Regie: Dirk Jürgensen
  • Sounddesign: Walter Till
  • Dialogschnitt: Walter Till

Sprecher

  • Erzählerin Gisa Bergmann
  • Larry Holt Nico Sablik
  • Diana Ward Marieke Oeffinger
  • Stephen Judd Sven Brieger
  • Sgt. Philip „Sunny“ Harvey Jan Langer
  • Reverend John Dearborn Holger Umbreit
  • Flimmer-Fred Fabian Kluckert
  • Der blinde Jake Dirc Simpson
  • Lew Frank Schröder
  • Fanny Wheldon Franciska Friede
  • Gordon Stuart Stephan Benson
  • Mrs. Portland Sabine Arnhold
  • Sir Mortimer Detlef Tams
  • Emma Ward Kerstin Draeger
  • Mr. Strauss Marcel Ehrmann
  • Theaterangestellte Anna Katharina Weyland


Über den Autor

Sebastian Stelling

Redakteur

Moin, ich bin Sebastian. Auf audiodramaseurope.de sammle ich die besten europäischen Hörspiele, schreibe ehrliche Reviews, führe Interviews und zeige dir, wo du alles legal hören kannst.

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