
Ein Klassiker im neuen Gewand
Agatha Christie gilt nicht umsonst als die Queen of Crime. Ihre Kriminalgeschichten sind stilbildend, ihre Figuren legendär – allen voran der belgische Meisterdetektiv Hercule Poirot. Mit dem Roman The Mysterious Affair at Styles, in Deutschland bekannt als Das geheimnisvolle Verbrechen in Styles, veröffentlichte sie 1920 ihr literarisches Debüt – und präsentierte damit nicht nur ihren ersten Roman, sondern auch das erste Auftreten ihres berühmten Ermittlers. Über ein Jahrhundert später hat Audible diesen klassischen Stoff in ein modernes, aufwendig produziertes Hörspiel verwandelt – mit hochkarätiger Besetzung, atmosphärischem Sounddesign und einem Gespür für die Essenz des Originals.
Der erste Fall für Hercule Poirot
Die Geschichte spielt in England während des Ersten Weltkriegs, genauer im ländlich gelegenen Anwesen Styles Court. Erzählt wird sie aus der Perspektive von Captain Arthur Hastings, der sich nach einer Verwundung im Krieg bei der wohlhabenden Familie Inglethorp erholt. Das Herrenhaus, in dem verschiedene Familienmitglieder, Verwandte und Bekannte leben, wird jedoch bald zum Schauplatz eines grausamen Verbrechens: Emily Inglethorp, die Matriarchin der Familie, wird eines Nachts unter dramatischen Umständen vergiftet aufgefunden.
Schnell steht fest: Es war kein natürlicher Tod, sondern Mord – und jeder im Haus hat ein Motiv. Der viel jüngere Ehemann, der als gierig und undurchsichtig gilt. Die beiden Stiefsöhne, denen die neue Ehe ein Dorn im Auge ist. Die Gesellschafterin, die sich von der Hausherrin bevormundet fühlt. Und nicht zuletzt eine ganze Reihe von Indizien, die sich wie ein Puzzlespiel über die Handlung legen.
Zum Glück kennt Hastings einen Mann, der auf ganz eigene Weise zu denken versteht: Hercule Poirot, ein belgischer Ex-Polizist und Flüchtling, der in der Nähe untergekommen ist. Poirot beginnt, den Fall zu analysieren – systematisch, logisch, mit dem berühmten kleinen grauen Zellen. Und während die offizielle Polizei voreilige Schlüsse zieht, entwirrt der Detektiv ein raffiniertes Netz aus Lügen, Geheimnissen und Manipulationen.
Charaktere und Sprecher: Hochkarätig besetzt
Die Stärke des Hörspiels liegt nicht nur in seiner Handlung, sondern auch in der exzellenten Umsetzung der Charaktere durch eine erstklassige Sprecherbesetzung:
- Hercule Poirot wird gesprochen von Rufus Beck, der die Rolle mit der richtigen Mischung aus Exzentrik, Intelligenz und Herzenswärme verkörpert. Sein leicht belgischer Akzent, die überlegte Sprachmelodie und das charmante Ego machen ihn zu einem idealen Poirot.
- Captain Hastings, der treue Freund und Erzähler, wird von Malick Bauer gesprochen. Seine Stimme verleiht der Figur eine gewisse Naivität, aber auch Aufrichtigkeit – genau die Mischung, die Hastings braucht.
- Emily Inglethorp, das spätere Mordopfer, wird von Iris Berben eindrucksvoll dargestellt. Ihre Darstellung ist autoritär und warm zugleich – eine Persönlichkeit, die Respekt einfordert und emotional komplex bleibt.
- Weitere Sprecher:innen wie David Nathan, Vera Teltz, Julia Nachtmann, Oliver Siebeck, Tobias Nath und Lisa Bitter geben den zahlreichen Nebenfiguren Tiefe und Ausdruck. Sie sorgen dafür, dass jede Stimme sofort wiedererkannt wird und das große Ensemble nicht in Beliebigkeit zerfällt.
Die Dialoge sind klug geschrieben, der Wortwitz bleibt erhalten, ohne ins Modernistische zu kippen. Die Rollen sind sauber voneinander abgegrenzt, wodurch auch neue Hörer:innen dem Geschehen mühelos folgen können.
Akustische Umsetzung: Hörspiel auf Kino-Niveau
Was Audible hier produziert hat, ist weit mehr als eine einfache Hörbuch-Lesung. Es handelt sich um ein vollwertiges Hörspiel, das mit großem Aufwand und professioneller Technik realisiert wurde.
Die Klangkulisse wurde in Dolby Atmos abgemischt, wodurch sich ein beinahe dreidimensionaler Höreindruck ergibt. Vom leisen Ticken einer Standuhr über das Knarzen der Treppe bis hin zu Vogelstimmen im Garten – jedes Detail wurde sorgfältig eingespielt. Die Soundeffekte sind stimmig, niemals aufdringlich, aber stets wirkungsvoll. Die Hörer:innen werden in das Herrenhaus hineingezogen, als wären sie selbst Teil der Szene.
Besonders hervorzuheben ist auch die Musik, komponiert von Johnny Flynn und Joe Zeitlin, die mit subtilen Streichern und atmosphärischen Klängen eine feine Spannung erzeugt, ohne je plakativ zu wirken. Die Musik untermalt, ohne zu dominieren – genau so, wie es in einem guten Krimi sein sollte.
Treue zur Vorlage mit kleinen Freiheiten
Die Hörspieladaption hält sich größtenteils eng an den Originaltext von Agatha Christie, nutzt jedoch gelegentlich moderne dramaturgische Mittel, um das Geschehen lebendiger zu gestalten. So werden etwa Gedankengänge, die im Buch in inneren Monologen oder Erzählertexten dargestellt sind, in gesprochene Dialoge oder Szenen umgesetzt. Das ist besonders bei Hastings’ Beobachtungen oder Poirots Analysen hilfreich, weil es die Handlung zugänglicher macht.
Gleichzeitig wird darauf geachtet, den historischen Kontext nicht zu modernisieren. Die Sprache bleibt im Duktus der damaligen Zeit, ohne altbacken zu wirken. Auch die gesellschaftlichen Konventionen, Geschlechterrollen und Klassenunterschiede, die zur Atmosphäre des Romans beitragen, bleiben erhalten und werden glaubwürdig inszeniert.
Ein Krimi mit Tiefgang und Eleganz
Das, was Das geheimnisvolle Verbrechen in Styles ausmacht, ist nicht der Nervenkitzel eines brutalen Thrillers, sondern die raffinierte Konstruktion eines klassischen Whodunit. Die Spannung entsteht nicht aus Blutvergießen oder Action, sondern aus der Frage: Wer war es – und warum?
Dabei führt Agatha Christie ihre Leser und Hörer immer wieder auf falsche Fährten. Hinweise, die scheinbar eindeutig sind, entpuppen sich als Irreführung. Aussagen werden verdreht, Alibis konstruiert, Spuren gelegt. Und Poirot bleibt ruhig, denkt nach, beobachtet – und zieht schließlich seine Schlussfolgerungen in einem fulminanten Finale, das alle Puzzleteile zusammenfügt.
Das Hörspiel gibt dieser Struktur den Raum, den sie braucht. Es hetzt nicht, sondern folgt einem gemächlichen, aber spannenden Tempo. Genau das macht seinen Reiz aus: Man kann miträtseln, mitfühlen und mitdenken.
Ein Muss für Krimifans und Hörspiel-Liebhaber
Mit Das geheimnisvolle Verbrechen in Styles ist Audible ein großer Wurf gelungen. Die Kombination aus literarischem Klassiker, moderner Produktionstechnik und hervorragenden Sprecherleistungen ergibt ein Hörspiel, das gleichermaßen anspruchsvoll wie unterhaltsam ist.
Wer Agatha Christie kennt, wird sich über die Werktreue freuen. Wer sie noch nicht kennt, erhält mit dieser Produktion einen idealen Einstieg in die Welt von Hercule Poirot. Vor allem aber erleben Hörer:innen ein akustisches Abenteuer, das zeigt, wie lebendig ein fast 100 Jahre alter Stoff heute noch sein kann – wenn er mit Respekt, Kreativität und Leidenschaft umgesetzt wird.
Für Freunde klassischer Detektivgeschichten, atmosphärischer Settings und intelligenter Dialoge ist dieses Hörspiel ein unbedingter Tipp. Und für alle, die gute Hörspielkunst schätzen, ist Das geheimnisvolle Verbrechen in Styles ein akustisches Kleinod, das beweist: Der Krimi lebt – und klingt besser denn je.
Das geheimnisvolle Verbrechen in Styles
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