
Von der Rollenspielvorlage zum Audioabenteuer
Mit dem ambitionierten Projekt Pathfinder Legends wagte sich das britische Hörspiellabel Big Finish Productions an die Umsetzung eines der bekanntesten Abenteuerpfade aus dem gleichnamigen Rollenspielsystem von Paizo Publishing: Rise of the Runelords. Die erste Folge dieser Reihe trägt den Titel Burnt Offerings und erschien im Jahr 2014. Sie adaptiert den Auftaktband der sechsteiligen Pathfinder-Kampagne, die im Rollenspielbereich längst Kultstatus erreicht hat. Das Besondere: Das Hörspiel richtet sich nicht nur an Rollenspielfans, sondern auch an ein breiteres Fantasy-affines Publikum, das mit klassischen Abenteuergeschichten, komplexen Figuren und dramatischen Wendungen angesprochen werden soll. Der vorliegende Text widmet sich der inhaltlichen Ausgestaltung, den Sprechern, der Produktionsqualität und der Wirkung dieses ersten Teils einer epischen Saga.
Goblins, Götter und düstere Geheimnisse
Burnt Offerings beginnt, wie so viele gute Fantasygeschichten, scheinbar harmlos: In dem idyllischen Küstenstädtchen Sandpoint wird das jährliche Swallowtail-Fest gefeiert, ein kulturelles und religiöses Ereignis, das die Einweihung eines neuen Tempels zelebriert. Die Helden der Geschichte – der kriegerische Valeros, die mysteriöse Elfe Merisiel, der stoische Zwerg Harsk und der gelehrte Magier Ezren – treffen aus unterschiedlichen Gründen in Sandpoint ein. Was als festliche Zusammenkunft beginnt, nimmt rasch eine dramatische Wendung, als plötzlich Goblins über die Stadt herfallen.
Doch der Angriff ist kein isolierter Akt der Barbarei. Vielmehr ist er Teil eines größeren Plans, der sich erst im Verlauf der Erzählung entfaltet. Die Goblins agieren auf Befehl finsterer Mächte, deren Motive eng mit den dunklen Kapiteln der Vergangenheit Sandpoints und uralter, längst vergessener Magie verbunden sind. Die Spur führt die Abenteurer zu einer alten Katakombe unter der Stadt, wo sie nicht nur auf dämonische Kreaturen, sondern auch auf Hinweise stoßen, die auf eine noch viel größere Bedrohung hindeuten: das Wiedererwachen der Runenherrscher, einer Gruppe mächtiger Zauberer aus der mythischen Thassilon-Ära.
Charaktere und Dynamik der Heldengruppe
Ein besonderer Reiz des Hörspiels liegt in der Interaktion der vier Hauptfiguren, die unterschiedlicher kaum sein könnten. Valeros, gesprochen von Stewart Alexander, ist der archetypische Draufgänger – mutig, loyal, manchmal unüberlegt, aber mit einem Herz aus Gold. Merisiel (Kerry Skinner) bringt als Elfen-Schurkin eine geheimnisvolle, oft spöttische Note in die Gruppe, die für viele sarkastische Spitzen sorgt. Harsk (Ian Brooker), der zwergische Waldläufer, wirkt als ruhiger, nachdenklicher Gegenpol, während der Magier Ezren (Trevor Littledale) mit seinem Wissensdurst und seiner etwas besserwisserischen Art die intellektuelle Dimension abdeckt.
Diese vier Charaktere ergänzen sich nicht nur in ihren Fähigkeiten, sondern auch in ihrer Persönlichkeit. Die Chemie zwischen den Sprechern ist glaubwürdig, und es gelingt Big Finish, trotz der begrenzten Hörspielzeit, ein Gefühl echter Kameradschaft und gemeinsamer Geschichte zu vermitteln. Die Dialoge wirken lebendig, ohne aufgesetzt zu sein, und lassen Raum für Humor, Ernst und gelegentliche emotionale Tiefe.
Inszenierung und Klangbild
Wie von Big Finish gewohnt, ist die technische Umsetzung exzellent. Das Sounddesign von Steve Foxon überzeugt durch dichte Atmosphäre, glaubhafte Klangkulissen und einprägsame musikalische Akzente. Die Geräuschkulisse während des Goblinangriffs ist besonders hervorzuheben: Chaos, Geschrei, metallisches Klirren und Zauberexplosionen verschmelzen zu einer dichten Klangwand, die das Chaos auf dem Marktplatz von Sandpoint akustisch nachvollziehbar macht.
Die Musik unterstreicht die Stimmungen der jeweiligen Szenen ohne aufdringlich zu sein – sei es das festliche Ambiente beim Swallowtail-Festival, die düstere Bedrohung in den Katakomben oder die heroischen Momente der Konfrontation mit dem Feind. Die binaurale Abmischung erzeugt ein räumliches Klangerlebnis, das insbesondere mit Kopfhörern zur Geltung kommt und die Immersion deutlich steigert.
Stilistische Besonderheiten und Erzählweise
Burnt Offerings nutzt eine Mischung aus szenischer Darstellung und gelegentlichen narrativen Einschüben, um die Handlung voranzutreiben. Besonders gelungen ist die Balance zwischen Exposition und Aktion. Das Hörspiel erklärt wichtige Hintergründe zur Welt Golarion und der Geschichte Sandpoints, ohne in langatmige Monologe zu verfallen. Stattdessen werden Informationen oft in Form von Dialogen vermittelt oder direkt in Handlung eingebettet.
Ein typisches Beispiel ist das Gespräch zwischen Ezren und einem lokalen Gelehrten über die Geschichte des Tempels – ein kluger Weg, sowohl Weltwissen zu transportieren als auch Ezrens Charakter zu vertiefen. Diese narrative Eleganz hebt das Hörspiel positiv von vielen anderen Fantasyproduktionen ab, die entweder zu erklärlastig oder zu fragmentarisch wirken.
Vergleich zur Rollenspielvorlage
Kenner des Pathfinder-Rollenspiels werden viele bekannte Elemente wiederfinden: Orte, Charaktere und Ereignisse folgen relativ treu der Vorlage aus dem ersten Band von Rise of the Runelords. Allerdings wurden einige Rollenspiel-Mechanismen – wie etwa Initiative oder Kampfrunden – für das Medium Hörspiel sinnvoll entschärft oder ganz weggelassen. Stattdessen liegt der Fokus auf der dramatischen Wirkung der Szenen und der emotionalen Reise der Charaktere.
Diese Anpassungen machen die Geschichte auch für Hörer zugänglich, die mit dem Rollenspiel nicht vertraut sind. Gleichzeitig bleiben genug Easter Eggs für Fans erhalten, etwa die Nennung bestimmter Monster, Artefakte oder Götter aus dem Golarion-Kanon.
Bewertung & Fazit
Pathfinder Legends – Burnt Offerings ist ein gelungener Auftakt in eine epische Hörspielreihe, die Fantasy-Fans ebenso begeistern dürfte wie Rollenspiel-Veteranen. Die Kombination aus starken Sprechern, durchdachtem Skript, atmosphärischem Sounddesign und respektvoller Adaption der Vorlage macht dieses Hörspiel zu einem kleinen Juwel im Big-Finish-Katalog.
Einziger Kritikpunkt: Mit knapp über 70 Minuten fällt die Laufzeit vergleichsweise kurz aus. Gerade weil sich eine komplexe Welt wie Golarion nicht in wenigen Szenen erschließen lässt, hätten ein paar Minuten mehr der Tiefe der Erzählung gutgetan. Dennoch gelingt es dem Produktionsteam, Spannung, Atmosphäre und Charakterentwicklung unter einen Hut zu bringen.
Als Einstieg in die Pathfinder-Welt funktioniert Burnt Offerings hervorragend – und macht definitiv Lust auf mehr. Wer bereit ist, sich auf ein akustisches Fantasyabenteuer einzulassen, wird mit einer spannenden Geschichte, fesselnden Figuren und einer Welt voller Geheimnisse belohnt, die weit über Sandpoint hinausreichen. Die Bedrohung durch die Runenherrscher ist geweckt – und dies ist nur der Anfang.
Pathfinder Legends – Rise of the Runelords: Burnt Offerings
* Affiliate-Link: Wenn du über diesen Link einkaufst, erhalten wir eine kleine Provision. Für dich ändert sich nichts am Preis.
- Label / Verlag: Big Finish Productions
- Veröffentlicht:
- Genre: Fantasy
- Herkunft: Großbritannien
Produktion
- Autor: James Jacobs
- Adaptiert von: Mark Wright
- Regie: John Ainsworth
- Musik: Steve Foxon
- Sounddesign: Simon Hunt
- Produktion: John Ainsworth
- Script Editor: John Ainsworth
- Executive Producer: Nicholas Briggs & Jason Haigh-Ellery
- Cover-Art: Wayne Reynolds
Sprecher
- Ezren – Trevor Littledale
- Harsk – Ian Brooker
- Valeros – Stewart Alexander
- Merisiel – Kerry Skinner
- Deverin – Helen Goldwyn
- Hemlock – Toby Longworth
- Ameiko – Yuriri Naka
- Nualia – Katarina Olsson
- Townswoman – Sunny Ormonde
- Tsuto – Kevin Shen
- Foxglove – Duncan Wisbey